Im Sommer 2002 besuchten wir alle von ELTERN FÜR KINDER e.V. in Sao Paulo unterstützen Brasilien-Projekte:


Stefan Siemons und Doret Pohl mit drei Mädchen, die zu Besuch sind
Zunächst stand die "Kulturwerkstatt" (Resgate Musical) von Stefan Siemons auf unserem Programm. Der aus dem Bergischen Land stammende Stefan Siemons ist von Beruf Instrumentenbaumeister für Blechblasinstrumente und Schlagzeuge, lebt seit vier Jahren in Brasilien und versucht, in seinem Projekt Sozialarbeit sowie Förderung von handwerklichem Können (Berufsausbildung) und Kreativität miteinander zu verbinden. Seine Kulturwerkstatt (ein kleines Haus und Teile eines Zirkuszeltes) steht in Itapecerica da Serra, einer Stadt mit 150.000 Einwohner südlich im Grossraum von Sao Paulo, in der Nähe von Embu, wo sich das Kinderheime "Lar Carolina" befindet. 

Als wir ankommen, ist Mittagszeit, und wir werden selbstverständlich zum Essen eingeladen, so wie alle Kinder, die entweder den Vormittag (wenn sie nachmittags Schule haben) oder den Nachmittag (wenn sie vormittags Schule haben) hier verbringen. Regelmäßig kommen in die Kulturwerkstatt jeweils 20 Kinder aus "Carolina" (ständig wechselnd, so dass alle drankommen) und Kinder aus der direkte angrenzenden Favela (Slum) São Marcos mit gut 30.000 Menschen. 

Heute gibt es verschiedene Spiel- und Kreativitätsangebote: Reise nach Jerusalem, Bingo, Bemalen von weißen Bettlaken, die dann rundherum als "Wände" aufgehängt werden sollen, Tanzen, Singen, zum Beginn Mittagessen, das von Stefans brasilianischer Schwiegermutter zubereitet wird, und später ein Stück Kuchen plus Getränke. 
Uns fällt als erstes und auch später immer wieder auf, wie selbstverständlich ruhig und diszipliniert, fröhlich, unbeschwert und zufrieden die Kinder sind. Es gibt kein Gerangel, kein: ich will zuerst; weinen, wenn etwas nicht gelingt; nicht aushalten können, wenn man einen Moment warten muss; Angst, zu wenig Beachtung zu bekommen. 

Raffael und ein Mädchen aus der Nachbarschaft beim Malen

Die Gruppe gibt Sicherheit und trägt alle mit: den behinderten Raffael, der nach seinen Möglichkeiten an allen Aktivitäten beteiligt wird, genauso wie die etwas wilderen Jungs, die zwischendurch eine rasante Fahrt mit der Schubkarre übers Gelände brauchen. Da Ferien sind, ist zur Zeit keine Hausaufgabenhilfe erforderlich. 

 

Stefans Pläne für die nähere Zukunft sind, Gruppen anzubieten, in denen das Spielen eines Instruments erlernt wird und solche, in denen Instrumente gebaut werden: für die kleineren Kinder Instrumente aus Abfallmaterialien, für die Jugendlichen "richtige" Blechinstrumente oder Schlagzeuge verbunden mit einer Ausbildung zum Instrumentenbauer, Feinmechaniker oder Werkzeugmacher. Die Werkstatt dafür ist bereits angebaut und auch teilweise schon ausgestattet. So werden in diesem Projekt Angebote zur sinnvollen Beschäftigung und Freizeitgestaltung mit kreativer Anregung und Bildungsangeboten verbunden. 


Gerade was die Unterstützung der Kinder beim Lernen angeht, sowie die Ausbildung von Jugendlichen hat Stefan Siemons noch große Pläne. Wir wünschen ihm zahlreiche Spender, damit er möglichst viele dieser Vorhaben verwirklichen kann.

 


Kontakt über: StefanSiemons@gmx.de  


Ein paar Tage später fuhren wir zusammen mit Doret Pohl in das Kinderheim "Carolina und ihre Geschwister", ebenfalls in Embu. Dieses Heim startete mit der Aufnahme eines behinderten Mädchens - Carolina - durch Catarina und Neno, die auch heute noch von allen als ihre ‚Eltern' angesehen werden. Das war 1991, als ‚Casa Carolina' unter maßgeblicher Unterstützung von Doret Pohl ins Leben gerufen wurde; seit dieser Zeit expandiert und prosperiert es enorm. Heute gibt es 120 Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 20 Jahren ein Zuhause.

Das Besondere dieses Heimes ist, dass Geschwistergruppen nicht getrennt werden, sondern gemeinsam hier leben können, was in der Regel in anderen Einrichtungen in Brasilien nicht möglich ist. Die zweite Besonderheit ist, dass niemand gezwungen wird, mit einem bestimmten Alter ‚Carolina' zu verlassen, wenn er nicht wirklich selbstständig ist. So finden wir Jugendliche und junge Erwachsene, die außerhalb eine Lehre machen (z.B. als Schreiner oder Bäcker), aber weiter hier leben und von ihrem Lohn Unterhalt bezahlen. Andere Jugendliche nutzen ihre Kontakte untereinander, um sich in WGs selbstständig zu machen und bei Bedarf noch Unterstützung im Heim zu haben. Die dritte Besonderheit ist, dass alleinstehende Mütter nicht von ihren Kindern getrennt werden. Alle Mütter versorgen ihre Kinder teilweise selbst und gehen im Kinderhaus einer Arbeit nach, die natürlich Ende des Monats bezahlt wird; jugendliche Mütter gehen wie alle anderen zur Schule. 

Das seit langem vorbereitete Projekt "Backstube", scheint nun endlich umgesetzt werden zu können. Wir besichtigen die Bäckerei mit den entsprechenden Maschinen und den Verkaufsraum. Zwei Jugendliche machen seit einiger Zeit eine Bäckerlehre außerhalb. Ein Bäcker wurde für ein halbes Jahr eingestellt. Geplant ist Selbstversorgung mit Brot und Brötchen, Belieferung von Firmen und Verkauf vor Ort: belegte Brötchen und Softgetränke, so dass das Kinderheim zu einem Treffpunkt der Nachbarschaft wird, und Möglichkeit zur Ausbildung: Bäcker(in), Verkäufer(in). 
Ein paar Wochen später ging es dann tatsächlich los.


Der Haupteingang der Backstube

Auch hier fällt uns wieder auf, wie zufrieden die meisten Kinder wirken, emotional sicher und geborgen. Aber es gibt auch traurige Gesichter, wenn z.B. die Post verteilt wird und man hat nichts bekommen. Und vor allem ältere Kinder spüren angesichts unserer chic gekleideten Jugendlichen ihr materielles Defizit umso deutlicher. Zu helfen, dieses Defizit zu reduzieren, ist ohne Frage unsere Aufgabe. Pläne von Mutter Catarina und Vater Neno gibt es genügend: Z.B. die Errichtung eines Kulturzentrums - ein Platz mit Nähwerkstatt, Hausaufgabenhilfe, eine Bibliothek. Gerade der Bereich Bildung/Ausbildung ist zentral, wenn die Kinder in eine sichere Zukunft entlassen werden sollen. Weiter ist die Anlage eines Gartens mit Nutzpflanzen, Sträuchern und Bäumen geplant. A und O aller Entwicklung ist auch hier unsere Unterstützung durch Geld- und Sachspenden, z.B. Kleidung, aber auch funktionierende Computer.

Informationen im web: 
www.lar-carolina.com 
www.carolinastrolche.de
http://mitglied.lycos.de/ReinerK_2/kinderheim1.htm

Kontakt über Doret Pohl: efk@greco.com.br 


Als letztes besuchten wir das Kinderheim Lar Girassol, Sonnenblumenhaus (früher: Carinho do Pai), das von Angelika Pohlmann betreut wird. Es liegt innerhalb der Stadtgrenzen von Sao Paulo und ist vom Gelände her kleiner als "Carolina". Hier leben zur Zeit 46 Kinder, die meisten unter sechs Jahre. Der Betreuungsaufwand für die Kleinen ist besonders hoch. 
Seit meinem letzten Besuch vor 10 Jahren hat sich hier wirklich viel getan. Die Anlage insgesamt, sowie die Häuser mit den Gruppenräumen wirken gemütlich und gepflegt. Auch hier wird viel Wert auf Beschäftigung, Anregung und Bildung der Kinder gelegt. 

Für die Kleinen gibt es eine Art Kindergarten, die Großen erhalten Unterstützung bei den Hausaufgaben, lernen Nähen und den Umgang mit dem Computer; es gibt eine kleine Bibliothek. 
Eine Gruppe jugendlicher Mädchen freut sich besonders über die von uns mitgebrachte CD mit aktuellen Hits aus den Charts. Auf dem Gelände findet regelmäßig ein Kleiderbasar statt, auf dem sich Familien aus der Nähe für wenig Geld Kleider kaufen. Das eingenommene Geld geht in Projekte des Heims ein. 

Eines davon ist die Bebauung eines bereits erworbenen benachbarten Grundstücks mit einem Ausbildungszentrum sowie Spiel- und Sportfeldern, die z.T. überdacht werden sollen. Wir sehen die Pläne und sind beeindruckt von der Konzeption und vom Umfang dieses Projekts, indem übrigens nicht nur die Heranwachsenden von Girassol beruflich ausgebildet werden sollen, sondern auch die Kinder und Jugendlichen aus den mittellosen Familien der Nachbarschaft, um diese fern von Drogen, Verbrechen und Alkohol zu halten. 
Natürlich kann auch dieses Vorhaben nur mit ausreichender finanzieller Unterstützung realisiert und wie die bereits existierenden Einrichtungen am Leben erhalten werden.

Kontakt über Angelika Pohlmann: apohlmann@uol.com.br

 


Link zu Projektbericht Pater Eduardo